D810

Nikon D810 - die Summe vieler Veränderungen

Es wird Zeit, ein paar Worte über die neue Nikon D810 zu verlieren.
Ich fühle mich ja bisweilen als Erbsenzähler und Haar-in-der-Suppe-Finder, der diversen Herstellern mit seinen Eingaben mächtig auf den Keks gehen kann. Deshalb war ich sehr gespannt, was mir an der D810 so alles mehr oder weniger dezent auf die Nerven gehen wird. Nach 2 Wochen intensivem Einsatz in Grönland erlaube ich mir ein erstes, subjektives Urteil. 

Foto: Nikon

Body & Design

Bereits beim ersten Anfassen wurde klar, dass Nikon sensibles Feintuning betrieben hat. Die dezente Anpassung des Griffs, die neue Ausbuchtung auf der Rückseite (die dem Daumen besseren Halt verschafft), die Verkleinerung der Funktions- und Abblend-Taste auf der Vorderseite (die dadurch nicht mehr so leicht mit meinen Fingerspitzen kollidieren), ergeben in der Summe eine Kamera, die spürbar handlicher ist als die „alte“ D800/e. Nikon hat aber auch an ganz kleinen Details wie zum Beispiel am Lauf und der Verriegelung des Rads für die Bildfrequenz auf der linken Schulter gearbeitet. Bewegte sich das bei meiner D800e alles noch etwas rau, lässt sich nun die Verriegelung einfacher bedienen und das Rad läuft satt und sanft.

Spiegel und Verschluss

Eine der größeren Verbesserungen versprach Nikon für die D810 im Bereich der Verschlusses und des Spiegelkastens. Neu entwickelt, neue Dämpfung, und so weiter. Ich habe das erstmal für das übliche Marketing-Geschwurbel gehalten, denn SLR-Verschlüsse gibt es nicht erst seit gestern und auch der Rückschwingspiegel an sich hat als technisches Konzept schon einige Jahre auf dem Buckel. Was will Nikon da groß verbessert haben?
Sobald man aber den Akku einsetzt und die erste Auslösung tätigt, stellt sich sofort der nächste Aha-Effekt ein. Plötzlich hört sich die Auslösung der D800/e im direkten Vergleich nach fiesem Geklapper an, die D810 hingegen löst deutlich leiser und sanfter aus. Das hört man, und das spürt man umso mehr. Während ja schon die Nikon Df in dieser Disziplin besser war als die D800/e, setzt die D810 hier noch einmal eins drauf!
Mag man das Feintuning am Body noch als „nice to have“ einordnen, trägt der neue Verschlussmechanismus merklich zur technischen Bildqualität bei - denn er macht es deutlich einfacher, ohne Stativ auszukommen. Aber auch auf dem Stativ ist die Reduzierung der Vibrationen sehr begrüßenswert, speziell im kritischen Bereich der Belichtungszeiten zwischen 1/30s und einer Sekunde.

Der neu entwickelte Verschluss der Nikon D810 • Foto: Nikon

Bildschirm

Der rückwärtige Screen der D810 wurde im Verhältnis zur D800/e auf ein neues Niveau gehoben. Neben der etwas höheren Auflösung die zu einem schärferen Gesamteindruck beiträgt wirkt er einerseits brillanter, andererseits ist die Farbabstimmung deutlich besser gelungen. Vom bekannten Grünstich der D800/e ist nichts mehr zu sehen. Für alle, denen die Farbgebung des Bildschirms nicht gefällt, gibt es nun zudem die Möglichkeit die Farbabstimmung selbst zu optimieren. Ich habe allerdings bisher keinerlei Bedürfnis verspürt, derartige Experimente durchzuführen.

Autofocus

Das AF-Modul erbt die D810 von der D4s - deshalb kommen die D810-Benutzer natürlich auch in den Genuss der neuen Group-AF-Funktion, die ich sehr nützlich finde.
Ansonsten gibt es hier bislang wenig zu berichten. Der AF arbeitet schnell & präzise, da gibt es nichts zu beanstanden. 

Live-View

Der wesentliche Punkt bei der Frage, ob die Anschaffung der D810 für mich gerechtfertigt sein würde, war das Thema Live-View. Speziell die 100% Ansicht ist bei D800/e ja eine absolute Zumutung. Was auch immer der Grund sein kann, dass Nikon hier eine Pixel-Verdreifachung oder -Vervierfachung eines geringer aufgelösten Bildes durchführt - als Ergebnis sieht man auf dem Bildschirm nur matschige Pampe, die eine manuelle Scharfstellung im Live-View zu einem äußerst lästigen bis hin zu unmöglichem Unterfangen macht. Ganz anders bei der D810 - die 100% Ansicht im Live-View ist vollkommen scharf und voll nutzbar. Wie damals bei der D3x. Super! :-)
Weiterhin gibt es eine unheimlich nützliche neue Funktion im Live-View - eine Funktion die an sich völlig naheliegend ist, aber trotzdem so bisher nicht existiert hat. Es ist die „Aufblend-Taste“. Und die geht so: Wenn man den Live-View aktiviert, schließt die Kamera die Blende auf den eingestellten Wert. Das ist soweit auch gut so, denn man möchte das Live-View-Bild ja mit dem realistischen Eindruck der Schärfentiefe betrachten. Nun ist der abgeblendete Zustand aber für eine präzise, manuelle Scharfstellung nicht der beste Zustand, denn zum Einen ist durch die vergrößerte Schärfentiefe der Focuspunkt nicht so präzise zu treffen wie bei Offenblende - zum Anderen kann zum Beispiel in dunklen Situationen (Nacht, Dämmerung, etc.) oft überhaupt nur noch bei offener Blende ein vernünftiges Bild dargestellt werden. Nikon hat nun, und das ist das Novum bei der D810, die Abblendtaste im Live-View mit einer „Blende auf“-Funktion ausgestattet. Aus der Abblendtaste wird im Live-View also eine „Aufblend-Taste“. Ich habe diese Funktion wirklich vermisst, denn als Alternative fiel mir nur fleissiges Hin-Und-Her-Schrauben am Blenden-Einstellrad ein. Und wenn man die Blende offen hatte, fragte man sich: Welchen Wert hatte ich gerade eben nochmal eingestellt?
Mit dieser Funktion (die meines Wissens bei der Vorstellung der Kamera nicht mal erwähnt wurde) hat Nikon ein echtes „Schmankerl“ umgesetzt - etwas, das ich bereits als Feature-Request bei Nikon abgesetzt hatte. Darf ich mir jetzt einbilden, dass mein Wunsch von Nikon erhört wurde? :-)
2 kleine Anmerkungen dazu noch: Die Scharfstellung bei offener Blende ist natürlich nur bei Objektiven ohne ausgeprägten „Focus-Shift“ beim Abblenden zu empfehlen. Und: die automatische Scharfstellung (AF) wird im Live-View immer bei Arbeitsblende ausgeführt. Löst man den AF aus, schließt die Kamera die Blende wieder. Dessen sollte man sich bewusst sein.

Der Eqi Gletscher im Morgenlicht (Disko-Bay, Grönland) • Nikon D810, Nikon AF-S VR 80-400 @ 400mm, ISO 100, f11, 1/200s, Stativ  © Stephan Fürnrohr

Der Bild-Sensor

Der wohlbekannte 36 Megapixel-Sensor wurde wohl marginal verbessert, Details hierzu kann man zB. bei den Mess-Gurus von DxO nachzulesen.
Bei einem Langzeitbelichtungs-Test für einen Fotofreund fiel mir auf, dass die D810 bei deaktivierter „Rauschunterdrückung bei Langzeitaufnahmen“ deutlich mehr „Blinkies“ im Bild produziert als die D800e. Das habe ich mit einer hochgezogenen Augenbraue zur Kenntnis genommen - da ich besagte Rauschunterdrückung meistens nutze, hat es mich nicht in Panik versetzt. Zwischenzeitlich hat sich herausgestellt, dass es sich dabei um einen vom Nikon-Service behebbaren Fehler handelt, von dem bestimmte Seriennummern betroffen sind. Mehr Details zur Frage "ist meine Seriennummer dabei" finden sich hier.

Und sonst?

Die neuen weißlichen Sucheranzeigen mag man (so wie ich) sehr schön und bestens lesbar finden, der verbesserten Vergütung des Prismas verdanken wir wohl ein helleres Sucherbild…ja, das kann sein, aber wie soll man das messen? Ist es ein realistischer Eindruck oder Autosuggestion?
Die Bildfrequenz wurde auf 5 Bilder pro Sekunde angehoben? Das betrifft mich höchstens am Rande, genau so wie die verbesserten Film-Funktionen über die ich mangels Kompetenz keine Bewertung treffen möchte. 
Etwas leichter soll sie geworden sein, ein paar Bilder mehr aus dem Akku rausholen…das mag durchaus messbar sein, ich kann die Aussagen so akzeptieren. Schlechter ist die Ausbeute einer Akku-Ladung sicher nicht geworden.

Fazit

Die Nikon D810 wirkt „sophisticated“, ausgereift, durchdacht bis in kleinste Detail. Offensichtlich hat der Hersteller bei der Weiterentwicklung der D800/e konkretes Feedback aus der Praxis berücksichtigt. 
Vieles besser, nichts schlechter - das ergibt in der Summe das Gefühl, eine ganz neue Kamera in der Hand zu halten. Daumen hoch, Nikon!